Von der Schwierigkeit des Wohnens zum anders Wohnen

10. September 2017

Holzkirchen – Es fing 2013 mit dem Familienzuwachs an. Die 3-Zimmerwohnung reichte für eine junge Familie mit einem Kind, bei dem der Vater ganz modern von zu Hause arbeitet, nicht mehr aus. Die Suche begann also. Nicht nur nach einer größeren Mietwohnung, sondern mit Blick in die Zukunft auch nach einer Eigentumswohnung oder einem Haus. Sie, Mitarbeiterin eines Pharmaunternehmens und er, tätig bei einer Bank - da wird doch was zu finden sein, dachten Sie sich und begannen zu Suchen.

Es vergingen Tage, Wochen und Monate. Kein Angebot. Und wenn dann doch mal ein Inserat gefunden wurde, war dieses entweder zu klein oder zu teuer. Beides zusammen kam auch nicht selten vor. Bei Mietwohnungen lag damals schon der Preis bei 12 Euro/m², beim Eigentum bei rund 3.500 Euro/m² – aus heutiger Sicht wäre es ein Schnäppchen gewesen. So sieht es heute noch düsterer aus – zumindest für die Wohnungssuchenden. Für eine Mietwohnung sind 16-20 Euro/m² und mehr als 6.000 Euro/m² für eine Eigentumswohnung inzwischen keine Seltenheit mehr. Und wir reden hier nicht vom rund 30 km entfernten München.

Provokant gefragt: Wollen wir ein Holzkirchen, welches nur von Gutverdienenden bewohnt wird und die Dienstleister wie Friseure, Kindergärtner, Pfleger und Verkäufer auf das Land verdrängt werden? Oder wollen wir allen Gesellschaftsschichten langfristig die Möglichkeit bieten in unserer schönen, lebens- und liebenswerten Gemeinde zu leben?

Die einzige Möglichkeit dies zu erreichen ist die Abkopplung vom Markt, denn der regelt sich nur in eine Richtung selbst. Die genossenschaftliche Idee bietet mit dem genossenschaftlichen Wohnungsbau dabei eine hervorragende Lösung. Zwar mehr als 150 Jahre alt, sind die Grundsätze „Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung“ aktueller denn je. Der Mieter ist in diesem Konstrukt mit seiner Einlage gleichzeitig Eigentümer. Dadurch besteht ein lebenslanges Wohnrecht. Eigenbedarfskündigungen sind nicht möglich. Zudem hat jedes Mitglied unabhängig von seiner Einlage eine Stimme und kann so demokratisch die Geschicke der Genossenschaft über die Mitgliederversammlung mitbestimmen. Unbegründete Mieterhöhungen gehören der Vergangenheit an.

Die Stadt München hat in den vergangenen Jahren gezeigt, wie sie die Wohnungsnot zumindest etwas lindern konnte. Sie hat über Jahre einen Großteil der städtischen Grundstücke an Wohnungsbaugenossenschaften mit guten Konzepten zu sehr günstigen Konditionen verkauft. Die Stadt hat damit nicht nur das günstige Wohnen gefördert, sondern auch das Zusammenleben in einer immer weiter alternden Gesellschaft gestärkt, bei der die Anzahl an Singlehaushalten enorm zugenommen hat.

Die Menschen wollen inzwischen nicht nur einfach Wohnen, sie wollen miteinander Wohnen. Dabei steht das soziale Miteinander, wie auch die materielle Teilhabe im Vordergrund. Wenn es eine oder mehrere Gästewohnungen gibt, muss nicht jeder ein Gästezimmer vorhalten. Wenn eine gemeinsame Werkstatt geschaffen wird, muss nicht jeder seine eigene Bohrmaschine kaufen, welche in ihrem Leben gerade einmal 30 Minuten benutzt wird. Wenn ich eine Gemeinschaft um mich herum habe, muss ich nicht gleich ins Altersheim, nur weil ich alleine nicht mehr einkaufen kann. Ich muss mir auch keine Gedanken machen, wenn ich mein Kind kurz zur Nachbarsfamilie gebe, um zum Arzt zu gehen.

Genau hier setzt der vor einigen Monaten gegründete Stammtisch „Gemeinsam anders wohnen“ an. Dieser möchte gerne diese bereits praktizierten Ideen nach Holzkirchen holen und ein genossenschaftliches Wohnprojekt aus dem Boden stampfen bei dem nicht der Besitz, sondern die Gemeinschaft im Vordergrund steht. Gespräche mit bereits bestehenden Genossenschaften die genau dieses Prinzip seit Jahren verfolgen wurden bereits aufgenommen. Beim nächsten Stammtisch am Montag, 18. September um 20 Uhr im „Sonnenraum“ der evangelischen Gemeinde (Haidstraße 3 in Holzkirchen) sollen diese Gespräche vertieft und ein Konzept weiter ausgearbeitet werden. Die Gemeinderäte scheinen für ein derartiges Projekt offen zu sein. Nun liegt es ganz nach den 150 Jahre alten Grundsätzen an uns selbst, dieses auch für Holzkirchen zu realisieren.

Die Suche nahm für die Familie übrigens kurz vor der Geburt des zweiten Kindes noch ein glückliches Ende. Sie hat nach Jahren ein Reihenmittelhaus direkt an der Bahnlinie gefunden. Der Garten ist zwar nur Handtuch groß, aber es ist immerhin ein Garten. Die Miete ist mit 1.550 Euro kalt zwar teuer, aber noch vertretbar. Es fragt sich eben nur für wie lange noch.

Der nächste Stammtisch „Gemeinsam anders wohnen“ trifft sich am Montag, 18. September um 20 Uhr im „Sonnenraum“ der evangelischen Gemeinde (Haidstraße 3 in Holzkirchen). Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Interessierte, welche verhindert sind oder gerne Vorabinformationen haben möchten, wenden sich bitte an Sebastian Oppermann

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